Auch das ist Deutschland: Wegen Beseitigung von Nazi-Hassparolen wurde 70jährige Rentnerin zu 1.800 Euro Geldtrafe
verurteilt
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Irmela Mensah-Schramm, eine 70-Jährige aus Zehlendorf, entfernt seit 24 Jahren Nazi-Schmierereien. Hier in Berlin Schöneweide.
Foto: Mike Wolff, TSP
Protest!
Solidarisch an der Seite von Irmela Mensah-Schramm
Am 5. Oktober 2016 fand der Prozess gegen Irmela Mensah-Schramm statt - die „Polit-Putze“, wie sie sich selber bezeichnet. Der
Tatvorwurf: Sachbeschädigung.
Der Richter wollte das Verfahren einstellen, stieß aber auf den Widerstand der Staatsanwältin.
Das durch das Berliner Kammergericht ergangene Urteil lautet: 1800 Euro Geldstrafe für den Fall einer Wiederholungstat während der
Dauer eines Jahres.
Inzwischen haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Irmela Mensah-Schramm gegen dieses Urteil Berufung eingelegt (siehe „Der
Tagesspiegel“ vom Sonntag, 16. 10. 2016 - http://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-zehlendorf-rentnerin-uebermalt-hassparolen-und-muss-erneut-vor-gericht/14694882.html
Was ist geschehen? Die Verurteilte hat in einem Zehlendorfer Fußgängertunnel den Spruch „Merkel muss weg!“
umgewandelt in „Merke! Hass weg“.
In diesem Fall fällt eine Abwägung der gesellschaftlichen Interessen nicht schwer: Ein Anstoß zum Nachdenken, der sich gegen
hasserfülltes Denken und dessen Niederschlag in öffentlichen Schmierereien richtet, ist gesellschaftlich bedeutsamer als die Straftat einer beschriebenen Wand. § 303 STGB wurde eingeführt, um
Graffitis als Sachbeschädigung juristisch zu erfassen.
Frau Mensah-Schramm wird nicht vom Wunsch getrieben, Wände im öffentlichen Raum mit „Graffitis“ zu beschädigen. Im Gegenteil: Sie
entfernt seit drei Jahrzehnten in Berlin und anderen deutschen Städten Hassparolen an öffentlichen Wänden.
Für ihr nachhaltiges politisch-moralisches Engagement wurde sie mehrfach öffentlich ausgezeichnet: 1996: Bundesverdienstmedaille,
die sie aus Protest gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an das ehemalige SS-, danach NPD- und spätere CDU-Mitglied Heinz Eckhoff zurückgibt; 1998: „Band für Mut und Verständigung“ der
Initiative „Gemeinsam für Ausländer“ vom Amt der/des Ausländer-beauftragten des Senats von Berlin; 2005: Erich- Kästner-Preis des Presseclubs Dresden e. V. „für ihre Zivilcourage“; 2006: Preis
„Aktiv für Demokratie und Toleranz“ der deutschen Bundesregierung; 2015: Göttinger Friedenspreis.
Seit vielen Jahren besucht Irmela Mensah-Schramm Schulen, präsentiert ihre Wanderausstellung „Hass vernichtet“ und berichtet
den Schülerinnen und Schülern von ihren Erfahrungen bei ihren Aktionen. Seit Jahren ist sie Gast bei unserem schulischen Gedenktag am 27. Januar, Tag der Befreiung des Vernichtungslagers
Auschwitz, in der Ruth-Cohn-Schule in Berlin-Charlottenburg. Lernende und Lehrende sind von ihrer Courage sehr beeindruckt.
Für viele von uns ist sie ein Vorbild in ihrem unermüdlichen Engagement, das Beschimpfungen durch Herumstehende und selbst
Angriffen auf ihre körperliche Unversehrtheit standhält.
Diese Frau steht vor Gericht – und wird verurteilt. In einer gesellschaftlichen Situation, in der Hassschmierereien, öffentlich
und in den „sozialen Medien“, Verunglimpfungen, Gewaltandrohungen, Pöbeleien das gesellschaftliche Klima unerträglich vergiften. Es wird offen und hemmungslos gehasst.
Wir, die wir seit Jahrzehnten die unerschrockene Arbeit von Irmela Mensah-Schramm kennen und bewundern, sind über diesen Prozess,
sein fragwürdiges Urteil und die Fortsetzung in einem Berufungsverfahren empört.
Liebe Irmela! Wir danken Dir!
Wir sind solidarisch an Deiner Seite!
Im Namen des Vereins Erinnern und VerANTWORTung e.V.
Szabine Adamek (Sprecherin) - Sara Bialas - Angelika Brauer (Schatzmeisterin) - Petra Madyda (Sprecherin) - Ulrike Pohlit - Michael Schlecker - Karin Weimann
(Sprecherin) - Dr. Winfried Weimann - Kerstin Végh
und
Dr. Martina Emme (Anna-Freud-Schule, berufliches Gymnasium/ OnebyOn Inc. International)
Sigrun Marks (Stolpersteininitiative Stierstraße, Berlin-Friedenau, sowie ehrenamtliche Betreuung von Geflüchteten beim Erlernen der deutschen
Sprache)
Bärbel Petersen (Kulturmanagement Berlin)
Anni Söntgerath (Dipl. Psychologin, langjährige Kita-Beraterin)
Renate Waldschütz-Leich (OnebyOne)
und
Ta Tzizikia e. V. Frauennetzwerk für Politik, Kultur und Soziales
Szabine Adamek - Helga Adamek - Helga Brendel - Lilo Eick - Doris Gläser - Rosita Hänsgen - Rosi Koester-Nierhoff - Evelyn Kreuchel - Jule Rösch
und
Ruth-Cohn-Schule (OSZ Sozialwesen)
Katja Almstedt - Utz List
Die Zehlendorferin Irmela Mensah-Schramm, die
seit 30 Jahren Nazi-Sprüche und rechte Parolen entfernt oder übermalt, muss erneut vor Gericht. Wie die 70-Jährige jetzt dem Tagesspiegel bestätigte, hat
die Staatsanwaltschaft Berufung gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Oktober dieses Jahres eingelegt. Das hatte wie berichtet die Rentnerin der Sachbeschädigung für schuldig befunden, weil sie im Mai den Spruch „Merkel muß weg“ an der
Wand eines Zehlendorfer Fußgängertunnels in „Merke! Hass weg!“ verwandelte.
Irmela Mensah-Schramm ist für ihr Engagement gegen
Hassbotschaften unter anderem mit der Bundesverdienstmedaille und dem Göttinger Friedenspreis geehrt worden. Im Fall des übermalten Merkel-Spruchs hatten
Anwohner die Polizei verständigt, die eine Anzeige fertigte. Das Gericht wollte nach Aussage einer Sprecherin das Verfahren einstellen, die Staatsanwältin stimmte dem aber nicht zu. Die Rentnerin
erhielt daher eine Verwarnung, die damit begründet wurde, dass eine durch den Spruch „Merkel muß weg“ bereits bestehende Sachbeschädigung – auch durch Verwendung der auffälligen Farbe Pink – noch
erweitert wurde.
Mensah-Schramm will auf jeden Fall weitermachen
Für den Fall einer Wiederholung während einer Bewährungsfrist von einem Jahr droht Mensah-Schramm eine Geldstrafe von 1.800 Euro.
Dies war der Staatsanwältin offenbar zu wenig.
Der Fall hatte große Aufmerksamkeit erregt und sehr viele Diskussionen in der Öffentlichkeit ausgelöst, was offenbar weder die
Staatsanwältin noch Irmela Mensah-Schramm beeindruckte. Erstere legte – wie am Sonntag auch eine Gerichtssprecherin bestätigte – Berufung ein. Letztere kündigte an, auf jeden Fall weiterzumachen.
„Notfalls gehe ich ins Gefängnis“ sagte sie dem Tagesspiegel am Tag nach der Verhandlung.